Neues aus der Ruhezone
Kennst du das?
Du sitzt in der Bahn, der Blick wandert über Felder und Wälder, die Sonne spiegelt sich im Fenster. Ein Moment zwischen zwei Terminen, zwischen Arbeit und Zuhause. Die perfekte Gelegenheit, um einmal durchzuatmen.
Ich liebe diese stillen Minuten: ein paar Mails beantworten, Gedanken ordnen, vielleicht ein paar Ideen notieren, die sonst untergehen. Es ist diese besondere Art von produktiver Ruhe – eine kleine Insel im Alltag.
Und dann passiert es.
Jemand fängt an zu telefonieren.
Der Deutsche in mir – du weißt schon, dieser kleine Hüter der öffentlichen Ordnung – spannt sich an. Kurz flammt der Impuls auf, etwas zu sagen. Aber ich entscheide mich, einfach zuzuhören. Und das war, wie sich herausstellen sollte, eine hervorragende Entscheidung.
„Hey, hört ihr mich? Super. An dieser Stelle möchte ich einhaken und sagen: Das befürworte ich so nicht. Schön, dass du dir Gedanken gemacht hast. Bitte lass uns nochmal in Ruhe sprechen und gemeinsam überlegen, wie wir das Thema angehen – denn so geht es leider nicht. Kann ich dich bitten, uns einen Termin für morgen einzustellen? Das bekommen wir schnell gelöst.“
Ich saß da – und hätte die Frau am liebsten umarmt. So wertschätzend. So klar. So verbindlich.
Was sie da gerade im Zug gemacht hat, nennt man in der Führungswelt Radical Candor. Ein Konzept von Kim Scott, das in ihrem Buch „Be a Kick-Ass Boss Without Losing Your Humanity“ beschrieben wird. Der Gedanke dahinter: gute Führung entsteht dort, wo sich zwei Dinge verbinden – persönliche Sorgfalt („Care Personally“) und klare Ansprache („Challenge Directly“).
Es geht darum, ehrlich zu sein – aber eben menschlich.
Klar in der Sache, aber respektvoll im Ton.
Für deine eigene Führungspraxis heißt das:
Nicht drumherumreden.
Nicht überrollen.
Sondern den Mut haben, Feedback so zu geben, dass es hilft – nicht verletzt.
Zum Beispiel so:
„Ich sehe dein Engagement – und genau deshalb möchte ich dir ein ehrliches Feedback geben.“
Dieser Einstieg zeigt Wertschätzung, öffnet die Tür für ein echtes Gespräch. Und er schafft Raum für Vertrauen, gemeinsames Lernen und Entwicklung.
Was ich an dieser Szene so besonders fand: sie war ungeplant, mitten im Alltag, in einem dieser stillen Bahnabteile, die plötzlich zu kleinen Lernräumen werden. Kostenloses Coaching – live und ohne Anmeldung.
Und ich dachte: Bahnfahren lohnt sich eben doch.
Bis bald – im oder aus dem Zug. ✌️